Liebe Freundinnen und Freunde,
ich wende mich heute am 1. Mai auf diesem Weg an euch. Wir können aufgrund der Corona-Krise heuer den Kampftag für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht auf der Straße feiern.
In der 130-jährigen Geschichte des Tages der Arbeit hat es das so noch nie gegeben. Das ist natürlich ein bisschen traurig, da ich mich gerne persönlich mit euch ausgetauscht hätte. Nichtsdestotrotz werden wir uns diesen Tag nicht nehmen lassen. Die SPÖ kämpft weiter für Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität und sie stellt die arbeitenden Menschen in den Mittelpunkt.
Die Corona-Krise ist wohl die größte Herausforderung für unser Land seit dem Ende des 2. Weltkrieges. Bereits jetzt gibt es in Österreich über 600.000 Arbeitslose, über 1 Million Menschen sind in Kurzarbeit, kleine Unternehmen stehen unter enormem Druck und haben noch immer keine ihnen versprochene Unterstützung bekommen. Und ja, die präsentierten Wirtschaftsprognosen sind dramatisch.
Aus gesundheitlicher Sicht sind wir relativ gut durch die Krise gekommen. Daran haben auch alle Parteien mitgearbeitet. Unsere Aufgabe ist es aber auch kritisch und wachsam zu bleiben. Der Zweck heiligt nicht alle Mittel.
Arbeit
Für die SPÖ ist klar, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Kleinbetriebe nicht diejenigen sein dürfen, die am Ende die Kosten dieser Krise zahlen. Das wird aber passieren, wenn die neoliberalen Vorschläge nach Erhöhung von Konsumsteuern umgesetzt werden. Dann zahlen die Heldinnen von heute die Wirtschaftskrise von morgen, die dann eine soziale Krise werden wird.
Wir wollen vielmehr, dass Millionäre ihren solidarischen Beitrag leisten. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sorgen schon jetzt für 80% der Steuereinnahmen. Für sie soll ein steuerfreier Mindestlohn von 1700,- Euro gelten. Dabei bleiben wir.
Für Konzerne soll es nicht möglich sein, Staatsgelder zu kassieren und dann Managerboni und Dividenden auszuschütten. Wer in Österreich Steuern vermeidet, soll keine Unterstützung bekommen, die alle zahlen müssen.
Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die jetzt ihren Job verlieren, soll ein höheres Arbeitslosengeld zustehen. Diese Erhöhung von 55 auf 70% hat die SPÖ im Nationalrat beantragt, die türkis-grüne Regierung hat das abgelehnt.
Frauen
Frauen sind ganz besonders von der Krise betroffen. Weil sie weniger verdienen, ihre Armutsgefährdung höher ist, weil sie ohnehin in normalen Zeiten schon den Großteil der unbezahlten Arbeit „schupfen“.
Jetzt zeigt sich, dass sich konservative Gesellschaftsbilder in der Krise verstärken. Uns droht ein gesellschaftlicher Rückschlag. Frauen sollen im Homeoffice ihre Arbeit machen, nebenbei die Kinder betreuen, Homeschooling machen, sich um Haushalt und vieles weitere kümmern. Wer soll diese Belastung auf Dauer schultern? Ein Konzept für die Betreuung und die Bildung fehlt weitgehend. Der Bundeskanzler erklärt gönnerhaft, es sei ja keine Schande, die Kinder in Betreuung zu geben. Vielen fehlt allerdings in der aktuellen Situation auch das Geld dafür. Das bestätigt uns als SPÖ einmal mehr in unserer Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz, nach dem Angebot für ganztägige, ganzjährige und kostenlose Betreuung.
Grundrechte
Was mir als Juristin und kritische Bürgerin ebenfalls Sorge bereitet, ist der Umgang mit Demokratie, mit Grund- und Freiheitsrechten in der Krise. Die deutsche Bundeskanzlerin hat sie unlängst als demokratische Katastrophe bezeichnet und Widerstand eingefordert.
Ganz anders in Österreich: Es werden Rechte eingeschränkt, Überwachung gefordert, das Parlament umgangen, Gesetze ohne Begutachtung beschlossen und monatelang mit Verordnungen oder Erlässen regiert.
Wer Kritik äußert, bekommt vom ÖVP-Kanzler zu hören, man möge doch von juristischen Spitzfindigkeiten absehen. Das liebe Freundinnen und Freunde, darf nicht die von der Regierung ausgerufenen „neue Normalität“ werden. Mit den Grundrechten und dem Rechtsstaat gilt es äußerst sorgfältig umzugehen. Wir werden auf deren Einhaltung pochen und der Regierung auf die Finger schauen.
Sozialstaat
Einmal mehr hat sich in dieser Krise eines gezeigt: Die Parole von „Mehr Privat, weniger Staat“ funktioniert nicht einmal in wirtschaftlich rosigen Zeiten. Das Konzept scheitert in der Krise. Das haben jetzt zum Teil auch die neoliberalen Kräfte eingesehen und fordern staatliche Unterstützung, wo sie den Staat ansonsten verbannen wollten. Unsere Aufgabe wird ist es auch, sie daran zu erinnern, wenn sie nach der Krise wieder umschwenken.
Ein starker Sozialstaat ist wichtig, er trägt unsere Gesellschaft, er steht für den Zusammenhalt, den wir brauchen – nicht nur in akuten Krisenzeiten.
Bruno Kreisky wurde vor 50 Jahre Bundeskanzler. Er hat mit der SPÖ schon damals für eine solidarische, weltoffene Gesellschaft gekämpft, die allen Menschen die bestmöglichen Chancen eröffnet.
Wir werden diesen Kampf für Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität weiterführen. Heuer leider nicht gemeinsam auf der Straße, sondern von daheim aus.
Bleibt gesund, bleibt kritisch und hoffentlich bis bald. Hoch der 1. Mai!